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Ausstellungskatalog

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Grußwort

Im Rahmen seiner Arbeiten zu einem experimentellen Nachweis der Erddrehung führte der französische Physiker Léon Foucault im Jahr 1852 den Begriff Gyroskop ein. Hiermit wird bis heute ein Gerät zur Beobachtung bzw. Messung von Drehbewegungen bezeichnet. Foucault untersuchte dabei nicht nur das nach ihm benannte große Pendel, sondern er befasste sich vorwiegend auch mit Kreiselgeräten.

Grundlage hierfür war ein Instrument, das heute als kardanisch gelagerter Kreisel bezeichnet wird und das auf J.G.F. Bohnenberger (1765-1831), Professor für Physik, Mathematik und Astronomie an der Universität Tübingen, zurückgeht. Bohnenberger entwickelte diese Vorrichtung zunächst, um in seinen Vorlesungen Kreiseleffekte und vor allem die Präzessionsbewegung der Erdachse demonstrieren zu können. Noch bevor er 1817 darüber selbst publizierte, wurde sein Instrument begierig von seinen Fachkollegen aufgenommen und verbreitete sich innerhalb weniger Jahre besonders in Frankreich. Um 1830 war es vermutlich schon weltweit in physikalischen Sammlungen zu finden.

Auf der Basis von Foucaults Arbeit und damit Bohnenbergers Instrument entstanden so zentrale Navigationsinstrumente wie der künstliche Horizont, der Kreiselkompass oder der Kurskreisel bis hin zu inertialen Navigationsanlagen. Weiter geht die Stabilisierung von Satelliten mit Drallrädern auf das Prinzip des kardanisch gelagerten Kreisels zurück, und schließlich hat auch die Entwicklung mikromechanischer Kreisel ihre Wurzel in dieser klassischen Kreiseltechnik. Die genauesten Gyroskope, die jemals gebaut wurden, befinden sich an Bord des Satelliten Gravity Probe B und werden derzeit benutzt, um einen wichtigen Teil von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie experimentell nachzuweisen. Bohnenbergers Instrument, "die Maschine", wie er es selbst nannte, legte damit eine zentrale Grundlage für sehr anspruchsvolle, bedeutende technische Errungenschaften wie beispielsweise die bemannten Mondlandungen oder moderne Fahrzeugstabilisierungssysteme im Automobilbereich.

Neben seinen wissenschaftlichen Experimenten zur angewandten Astronomie setzte J.G.F. Bohnenberger sich ebenso mit geodätischen und kartographischen Problemen auseinander. Als junger Pfarrvikar in Calw-Altburg entstand die Idee zur Anfertigung einer "genauen Karte von dem Herzogtum Wirtemberg". Hierzu führte er trigonometrische Arbeiten aus, die die Grundlagen für das erste Blatt "Calw" der "Charte von Wirtemberg" bildeten. Nach seiner Berufung an die Universität Tübingen bot er in der vorlesungsfreien Zeit umfangreiche Erkundungs-, Meß- und Zeichentätigkeiten für die Studierenden an, um die "Charte von Wirtemberg" weiter zu entwickeln. Er galt als "praktischer Astronom, großer Geometer, Physiker und Zeichner, der die gründlichsten theoretischen Kenntnisse mit großer praktischer Geschicklichkeit und vielem Kunstfleiß" verband. So konnte Bohnenberger zwischen 1798 bis 1810 große Teile der "Charte von Schwaben" im Maßstab 1 : 86400 herausgeben. Ab 1818 bis zu seinem Tod war er wissenschaftlicher Leiter der württembergischen Landesvermessung. Die Grundlagen für diese Arbeiten legte er in einer Publikation (1826) nieder, die für viele anschließende Vermessungsarbeiten in Europa prägend war.

Nach aktuellen Untersuchungen jährt sich die Erfindung der Maschine von Bohnenberger im Jahr 2010 zum 200. Mal. Aus diesem Anlass wurde an der Universität Stuttgart eine Fachausstellung aufgebaut, die in der Universitätsbibliothek vom 10. Dezember 2010 bis 29. Januar 2011 zu sehen ist. Ihre Exponate sind in diesem kleinen Katalog enthalten.

 

Dieter Fritsch, Jörg Wagner


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